Zwei auf einen Streich: von der Spitzflue zur Fochsenflue


Am Wochenende meldet Meteo schönes Wetter, das heisst für uns: Ab in die Berge. Die Spitzflue steht schon seit letztem Jahr auf unserer To-Do Liste und an diesem Samstag beschliessen wir, endlich ein Häkchen hinter dieses Ziel zu setzen. Die Vorhersage meldet, dass es nicht allzu heiss wird also beschliessen wir erst den 9 Uhr Bus in Richtung Schwarzsee zu nehmen. 
Nach obligatorischer WC-Pause beim Skilift geht es auch schon los. Wir wandern den See entlang bis zur Abzweigung, die in den Breccaschlund führt. Diesen Weg kennen wir zu genüge, ist es für mich dieses Jahr doch schon das dritte Mal, dass ich diesen begehe. Mit dem ersten Ziel immer vor Augen, nehmen wir die Stufen zur Steinigen Rippa in Angriff. Wir sind doch ein bisschen spät losgegangen, die Sonne brennt noch vom Himmel und wir sind froh, dass der grösste Teil des Weges im Schatten ist. Kurz vor der St. Antoni Brecca machen wir eine kleine Pause unter einem Baum, wo wir die ersten Balisto essen (Jep, wir haben sie dieses mal wieder dabei). Weiter geht es zum Rippetli. Domi schaut in Richtung Spitzflue, ich frage: "Ist sie noch da?". "Jep, sie ist noch da". "Ist sie immer noch so hoch?". "Ja, sie hat noch die gleiche Höhe.". Hm, schade. Ich finde die Spitzflue könnte uns schon ein bisschen entgegenkommen. Beim Rippetli sind wir erstaunt, dass der Weg nicht angeschrieben ist. Überall sehen wir Wegweiser in Richtung Schopfenspitz oder Riggisalp, von der Spitzflue aber keine Spur. Als ich meine Wasserflasche am Brunnen auffülle, fällt mir ein weiss-blauer Pfeil auf, das muss der Weg sein! Wir konsultieren noch kurz die App und entscheiden dann, dass wir diesem Pfeil folgen werden. Wir stehen schliesslich genau vor dem Berg und so kennen wir die ungefähre Richtung. Steil geht es dem Zaun entlang nach oben und wir fragen uns öfter, ob dies tatsächlich der richtige Weg sein kann. Nach kurzer Zeit entdecken wir ein kleines Stück unter uns einen schmalen Trampelpfad und beschliessen runterzusteigen. Richtige Entscheidung, endlich schlagen wir die passende Route ein. Erst fühlt es sich an wie ein angenehmer Spaziergang, obwohl bereits weiss-blaue Markierungen zu sehen sind. Nach und nach wird es aber immer steiler und überwachsener.
Noch ist es gemütlich
Der Pfad windet sich immer wieder aber wir kommen gut vorwärts und sind bald auf dem Sattel. Auf der anderen Seite sehen wir den Unteren Euschels. Hier legen wir eine kleine Trink- und Verschnaufpause ein. 
Der erste Gipfel naht
Es geht weiter mit der Kraxelei den Berg hoch und wir kommen doch langsam ausser Puste. Der Schweiss rinnt uns von der Stirn ("Lieber Schweissperlen als gar kein Schmuck"). Schwitzend und fluchend (vor allem meine Wenigkeit) geht es den Berg hoch. Domi mag diese schmalen, durch Gras führenden, steilen Pfade, ich hingegen fühle mich eher in steiniger Landschaft zu Hause. Umso mehr freut es mich, als wir weiter oben immer weniger Gras sehen dafür umso mehr Fels. Endlich geht es also los mit den kleinen Klettereien. Einen entgegenkommenden Wanderer fragen wir nach der Leiter, "Da müsst ihr schon noch ein Stückchen gehen", meint er und wir wandern munter weiter. 

Es ist bereits nach 12 Uhr und der "Bünzli" in mir schreit nach einer Mittagspause, nicht weil ich einen Bärenhunger habe, sondern weil 12 Uhr schliesslich Mittagszeit ist. Wir beschliessen eine kleine Rast einzulegen, sobald wir die Leiter sehen können. Viel Platz hat es dort nicht, aber wir machen es uns bequem und essen etwas Brot mit Käse. Wir erhaschen den ersten Blick auf die Gastlosen, meine Lieblings-Bergkette. Leider ziehen auch dunkle Wolken auf. Die Spitzflue ist mittlerweile in eine tief hängende, dunkle Wolke verhüllt. Eigentlich sollte es ja keinen Regen geben aber das meteorologische Ungetüm über uns, treibt uns zur Eile an.


Gesicherte Stelle gleich nach der Leiter
Die kurze Leiter steigen wir mühelos hinauf und gelangen sofort zu einer mit Kette gesicherten Passage. Na also, das ist ein Weg nach meinem Geschmack! Es wird immer besser und ich geniesse den Aufstieg immer mehr. Hie und da müssen wir uns mit den Händen behelfen, das Gestein eignet sich perfekt dazu, da es überall von der Natur geformte, kleine Griffe gibt. Bei einer solchen kleinen Kletterpassage muss ich mich stärker abstossen, da ich doch nur 1.57m  gross bin und für hohe Stufen immer ein bisschen mehr Schwung brauche. Ich stosse mich also ab und merke sofort, dass sich an meinem Rucksack etwas löst. Der Blick zurück verrät, dass meine gute Filterflasche meinen ruckeligen Laufstil nicht mehr mitmachen will und aus der Vorrichtung an meinem Rucksack geschleudert wurde. Ich schrei Domi zu, dass sie aufpassen soll, nicht weil sie die Flasche fangen soll, sondern damit sie nicht getroffen wird. Domi, die gute Seele, versucht die Flasche zu fangen, leider springt sie ihr wieder aus der Hand und kullert den Berg runter auf Nimmerwiedersehen! 
Ich trauere kurz meiner hübschen, blauen Filterflasche hinterher, die mir schon in Griechenland und Schottland gute Dienste erwiesen hat. Erst letzte Woche habe ich Anci demonstriert, wie nützlich so ein Bakterienfilter sein kann. In dem Sinne: Good bye meine geliebte LifeStraw-Flasche, du warst ein treuer Begleiter. Im Nachhinein ist mir nun natürlich auch klar, wieso ein Karabiner am Verschluss angemacht war. 
Weiter gehts! Immer mehr kleine Klettereien gilt es zu überwinden und bei einer solchen greife ich nach einem Stein, hinter dem sich eine Biene auf ein Blümchen gesetzt hat. Ein stechender Schmerz durchzuckt meinen Ringfinger und ich weiss sofort was passiert ist. Diesen Schmerz kenne ich nur allzu gut, wurde ich nun doch schon rund vier mal in die Hände gestochen. Bisher passierte das aber immer bei meinen Eltern im Garten, wo Hilfe nicht weit war. Mein Herz rast und kurz macht sich Panik in mir breit: Ich bin allergisch auf Bienen und habe immer einen Epi-Pen dabei, den ich aber lieber nicht einsetzen möchte. Domi reagiert aber wie ein Routinier und behält die absolute Ruhe: Sie nimmt mir den Rucksack ab, sucht meine Wanderapotheke raus und drückt mir die Allergie-Tabletten, die sich in meinem Schlüsselanhänger befinden, in die Hand. Da ich keine Anzeichen von Atemnot spüre, ist es nicht nötig auch noch den Epi-Pen zu setzen. Die Medikamente wirken rasch und der Finger schwillt nur minimal an. Super, wir können weiter und müssen nicht wegen eines Bienenstichs die Wanderung abbrechen. 
Zum Gipfelkreuz ist es jetzt nur noch ein Katzensprung. Oben angekommen weht ein kalter Wind der nicht zum verweilen einlädt. Wir machen unseren Eintrag ins Gipfelbuch und ein paar Fotos.
Gipfelkreuz der Spitzflue mit Sicht auf den Schwarzsee

Eine weitere Wanderin, die uns bei der kleinen Rast früher überholt hat, sitzt auf dem Gipfel, eingehüllt in eine warme Jacke. Auch sie schaut kritisch in den Himmel, da die dunkle Riesenwolke noch immer nicht verschwinden will. Wir fragen sie, ob sie den Weg zur Fochsenflue kennt, was sie bejaht. Es gäbe einen "Kamelrücken" aber sonst sei der Weg gut passierbar. Wir entscheiden also zur Fochsenflue weiterzuwandern. Mir ist mittlerweile ein bisschen mulmig, wegen dem Bienenstich und dem Wetter. Irgendwie passt es einfach nicht mehr. Weiter will ich aber trotzdem. Die nette Wanderin bietet an, kurz vorzugehen und zu schauen, wie der Weg dieses Jahr aussieht. Das Angebot nehmen wir gerne an und warten vor einer ziemlich ausgesetzten Kraxel-Stelle. "Wie z Bisi-Wätter" bahnt sie sich den Weg auf die nächste Erhöhung und ruft uns zu, dass der Pfad gut ist und wir keine Bedenken haben müssen. Weiter gehts! "Oh Edelweiss!" Ein Fotostop wird eingelegt.

Mir ist immer noch ziemlich mulmig zumute und ich will die Traverse zur Fochsenflue so schnell wie möglich hinter mich bringen. Wir gehen einen weiteren grasüberwachsenen Grat entlang und erreichen endlich die Fochsenflue. Bis zum Gipfelkreuz ist der Weg nun ungefährlich und gut markiert. Das Wetter und auch meine Laune bessern sich wieder und wir machen eine lange Rast unter dem Gipfelkreuz. Die Sonne scheint uns auf die Rücken, wir trinken, essen und lachen wieder. Auch hier schreiben wir einen kurzen Eintrag ins Gipfelbuch und machen einige Fotos, Gipfel-Selfie eingeschlossen. 
Fochsenflue mit Chörblispitz und Gastlosen im Hintergrund
Ich sende das obligatorische "Wo bin ich?"-Foto an meine Familie, Domi freut sich über den 4G-Empfang.
Der Weg in den Schwarzsee runter ist nun nur noch ein Klacks. Wir passieren ein paar Brennnesseln die über den Weg gewachsen sind (Domi in kurzen Hosen, autsch!) und weichen einer Herde Kühe aus, die ein bisschen zu neugierig sind für unseren Geschmack. Als wir beinahe beim Euschels angekommen sind, treffen wir noch auf zwei Kollegen, die auf dem Weg auf die Fochsenflue sind. Eigentlich wollten sie Gleitschirmfliegen gehen, der Wind war aber zu stark. Wir überlegen kurz ob wir beim Ritzli nach Jaun oder wieder in den Schwarzsee laufen sollen, entscheiden uns dann aber für den Schwarzsee, da die Busverbindungen nach Fribourg einfach besser sind. 

Trotz unserer Angewohnheit auf den einfachsten Wegen zu stolpern, erreichen wir den Schwarzsee mit unversehrtem Hosenboden und so bleibt der Weisswein-Count einmal mehr auf 0-0. 

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