Der höchste Freiburger: Wanderung auf den Vanil Noir (2389 m)

Endlich, endlich, endlich können wir erneut ein Häkchen hinter einen Gipfel setzen, der schon lange auf unserer Liste steht: Der Vanil Noir. Ich schreibe diesen Eintrag zwei Tage nach der Wanderung und meine Oberschenkel schmerzen wie selten zuvor nach einer Wanderung. Mit 2389 Höhenmeter ist er zwar nicht extrem hoch aber trotzdem eine Herausforderung.

Am Samstag Abend einigen wir uns auf den 08.04 Uhr Zug nach Grandvillard mit dazugehörendem Pic-Nic Kauf vorher. Der Himmel ist zwar noch wolkenverhangen als wir starten aber wir sind zuversichtlich, dass diese sich in den nächsten Stunden verziehen werden.
Am Bahnhof Grandvillard angekommen, müssen wir zuerst ca. 1.5km bis zum Dorf laufen und dann von dort Richtung Parkplatz "Les Baudes". Der Wanderweg ist gut angeschrieben und führt teilweise durch Waldstücke, sodass wir nicht der Strasse folgen müssen und einige Kurven schneiden können. Trotzdem ist dieser Teil der Wanderung extrem langweilig und ich empfehle jedem, mit dem Auto bis zum Parkplatz zu fahren. Man spart so gute 90 Minuten. Der Parkplatz ist voll, es gibt keinen einzigen freien Platz mehr. Uns wird klar, wie beliebt dieses Gebiet bei Wanderern ist aber wir hoffen trotzdem, nicht allzu viele Leute anzutreffen.

Diese Hoffnung wird nach einigen Metern auf der breiten Kiesstrasse von einer Seniorengruppe zerschlagen. Naja, es gibt ja viele Wanderwege hier oben und nicht alle führen auf den Vanil Noir. Wir ziehen an vielen älteren Wanderpäärchen vorbei und gehen immer weiter in Richtung Cabane de Bounavaux. Dort angekommen ist bereits Mittagszeit und wir beschliessen hier etwas zu essen und noch einmal einen Blick auf die Karte zu werfen. Die Terrasse der hübschen SAC-Hütte ist voll aber wir finden doch noch ein Plätzchen an einem Tisch und geniessen unser Z'Mittag das wie immer aus Brot, Käse und Schokolade besteht. Ich glaube wir sollten uns für die nächste Wanderung mehr Gedanken über die Verpflegung machen...

Steinbockstatue vor der Hütte


Die Wolkendecke bricht auf und die Sonne wärmt uns die Rücken. Das Wetter ist perfekt zum wandern: nicht zu heiss aber auch nicht kalt. Nach etwa einer Stunde Mittagsrast werden unsere Beine langsam unruhig und wir wollen weiter. Das Gipfelkreuz lockt uns schon seit wir in Grandvillard aus dem Zug gestiegen sind und wir sind voller Vorfreude, bald dort oben zu stehen.
Ich habe viele Berichte über diese Wanderung gelesen, wird sie doch meistens als T5- eingestuft, also die zweithöchste Kategorie laut SAC. Anscheinend ist die Passage über die Tête de l'Herbette ziemlich felsig und dies möchten wir lieber im Aufstieg hinter uns bringen als im Abstieg. Wir gehen beim Wegweiser "Bounavalette" also links rauf bis zum "Col de Bounavalette" (1996m). Bis dorthin gefällt mir der Weg nicht besonders. Steile Serpentinen schlängeln sich den Hang rauf und wir laufen in einer Art Kerbe auf der Wiese. Der Weg ist langweilig und meine Motivation und Geschwindigkeit sinken auf den Tiefpunkt.
Sicht auf den langweiligen Aufstieg zum Col de Bounavalette
Oben angekommen machen wir erst einmal eine kleine Foto- und Trinkpause. Die ersten Tropfen fallen, was gar nicht in unseren Plan passt, haben wir doch lange auf passables Wetter für diese Wanderung gewartet. Wir sind zwar keine Wetterexperten aber entscheiden trotzdem weiter zu gehen da der Regen nicht stark ist und wir denken dass es nicht mehr lange geht bis zum Gipfel (HAHA, waren wir naiv).

Der weitere Weg ist nun weiss-blau-weiss markiert. Man kann die Wegmarkierungen nicht übersehen, hat es doch etwa alle 2 Meter eine solche auf der Felswand. Scherzend über diese Übertreibung der Wegweisung kraxeln wir zum Teil auf allen vieren in Richtung Tête de L'Herbette. Meine Motivation ist zurück und ich geniesse die kleinen Klettereien im Fels, die aber immer harmlos bleiben. Ausrutschen sollte man dort aber trotzdem nicht.
Domi beim Aufstieg

Oben angekommen eröffnet sich uns eine super Aussicht auf die Berge. "Schau mal, sind das nicht die Gastlosen dort hinten?", ruft Domi. Aber hallo, und wie das die Gastlosen sind! Ich finds immer super wenn die Gastlosen sichtbar sind, da ich diese viel beeindruckender finde als manch andere Bergkette. Ausserdem macht es die einzigartige Form der Kette einem einfach, sie zu erkennen und da ich ja einen Fensterplatz im Geografieunterricht hatte, habe ich jedes mal Freude wenn ich wenigstens die Gastlosen erkenne. Aber jetzt Schluss mit den Liebeserklärungen an die Gastlosen, hier geht es schliesslich um den Vanil Noir.




Wir wandern weiter dem Gipfel entgegen, den wir von hier aber nicht mehr sehen können. Erstaunlicherweise geht es jetzt ein kurzes Stück ins Tal runter und uns vergeht das Lachen über die übertriebene Markierung von vorher. Den Leuten die den Weg angelegt haben ist wohl die Farbe ausgegangen, es sind jetzt nämlich nur noch spärliche Zeichen zu sehen. Für uns heisst das, dass wir zu weit rauf steigen und die Sicherung mit einem Stahlseil nicht sehen. Domi entscheidet sich, auf allen Vieren über den Abgrund zu klettern, ich steige auf den Weg ab und folge den Markierungen zum Seil.
Sieht nicht steil aus, ist es aber
Es folgt ein unangenehmes Stück. Zum ersten Mal auf einer Wanderung wünsche ich mir, ein Seil dabei zu haben. Der kleine Pfad ist verschwunden, Markierungen gibt es nicht mehr, das Stahlseil endet im Fels. In welche Richtung jetzt? Der Boden ist extrem rutschig, festhalten kann man sich nirgends. Domi ist zu weit rauf gekraxelt und bemüht sich wieder ein Stück herunterzukommen, da es von ihrer Position aus kein Weitergehen gibt. Ich schlage mich zu einem Felsvorsprung zu meiner Linken durch, halte mich mit einer Hand dort fest und reiche die andere Domi. Einmal kräftig ziehen und schon steht sie wieder neben mir. Wir stecken wahrscheinlich gute 10 Minuten an dieser Stelle fest. Auf allen Vieren bemühen wir uns über den rutschigen Boden bis Domi weiter oben den Pfad wieder findet. Das Gelände verändert sich nun und wird noch interessanter. Ich weiss wirklich nicht wie man diese Art von Boden nennt, aber es sieht ein bisschen aus wie ein Gletscher, nur eben nicht Eis und Schnee sondern Fels. Wir finden dies beide toll und wandern zufrieden weiter. Immer wieder fällt ein bisschen Regen aber wir entscheiden, dass wir nun schon zu weit gekommen sind um noch umzudrehen. Schliesslich sind wir nicht aus Zucker und die paar Tröpfchen können wir wegstecken. Der Wegmaler hat anscheinend seine Farbe wieder nachgefüllt und so haben wir keine Mühe den Markierungen zu folgen.

Soviel Spass wir an diesem Gelände auch haben, verlieren wir hier viel Zeit. Die Füsse müssen gut platziert werden, damit wir nicht in die Spalten treten und uns die Fussgelenke verdrehen. Nach 45 Minuten haben wir auch diesen Teil hinter uns gebracht und bekommen zum ersten Mal tierischen Besuch:

Wir besprechen kurz was das für ein Tier sein könnte und entscheiden uns, dass es eine Gemse sein muss, da die Hörner zu klein sind für einen Steinbock. Erst zu Hause stellt sich heraus dass das durchaus Steinböcke waren, nur eben weibliche. Also Steingeissen (was man nicht alles lernt). Diese tummeln sich zuhauf dort oben und sind nicht sehr scheu. Sie rennen später zwar schon weg aber sind immer nur ein paar Meter entfernt. Fasziniert schauen wir zu, wie ein Baby-Steinböckli gekonnt den steilen Abhang runterrennt. Hoffentlich stürzt es nicht ab! (Tut es natürlich nicht).

Wir sind nun kurz vor dem Gipfel und erreichen die Schlüsselstelle der Wanderung. Hier wäre jeder falsche Tritt fatal und so habe ich wieder mächtig den Gag in den Hosen. Meine kurzen Beine zwingen mich manchmal auf die Steinstufen zu sitzen um diese überhaupt passieren zu können, aber auch das klappt ohne weitere Probleme. Ich bin trotzdem froh, dass Domi dabei ist und mir zurufen kann, ob ich meine Füsse richtig platziert habe.
Jetzt nur nicht ausrutschen
Der Gipfel naht und wir sind froh bald am Ziel zu sein. Immer wieder sehen wir Steinbock-Familien die sich auf den Gipfeln um uns herum tummeln. Die kleinen Tierchen sind so süss, dass wir immer wieder halt machen um sie nicht zu verscheuchen.

Bald geschafft
Eine Turbowanderin überholt uns und rennt quasi zum Gipfel. Bis wir dort eintreffen, ist sie aber schon wieder weg und hat auch die Steingeissen vertrieben. Wir mögen sie nicht und sind froh, dass sie nicht auf dem Gipfel zu verweilen scheint.

Endlich! Wir stehen auf dem Gipfel des höchsten Freiburger Bergs. High Five! Wie bestellt verziehen sich die Wolken ein bisschen und die Sonne lacht hervor. Das lädt und zum verweilen ein. Jetzt brauchen wir einen Gipfel-Snack und bestaunen die Aussicht. Wie schon auf der Fochsenflue freut sich Domi erneut über den 4G-Empfang dort oben und natürlich wird fleissig auf Instagram gepostet (Jaja, die Jugend von heute...). Der Blick ins Tal hinunter zeigt uns, wie steil der Aufstieg wirklich war. Immer wieder guckt eine Steingeiss zu uns herauf und empört sich dann hörbar über unsere Anwesenheit auf dem Gipfel. Abgesehen davon, dass wir zu diesem Zeitpunkt noch denken wir hätten es mit Gemsen zu tun, wusste ich nicht dass diese so witzige Laute von sich geben. Hätte ich doch bloss die Spiegelreflex-Kamera von Papa dabei!
Gipfel-Selfie

In guter Schweizer-Manier die Socken bis zum Anschlag hochgezogen :-D
Weil wir so lange für den Aufstieg hatten, drängt die Zeit und wir machen uns auf den Weg zum Vanil de l'Ecri. Diesen wollten wir eigentlich auch noch gleich mitnehmen, wenn wir schon hier oben sind. Der Weg dorthin ist aber wiederum mit Ketten gesichert, sodass wir nicht in unserem normalen Tempo laufen können. Wie schon beim Aufstieg, macht der Weg zwar unheimlich Spass, nimmt aber viel Zeit in Anspruch. Auch hier rutscht man besser nicht aus. Wir erreichen die Weggabelung zum Vanil de l'Ecri um 17.30 Uhr und entscheiden, dass wir ein anderes Mal wiederkommen. Wir müssen schliesslich noch bis nach Grandvillard und wissen, dass es ein weiter Weg ist. Schweren Herzens wenden wir dem Vanil de l'Ecri also den Rücken zu und steigen auf dem steilen Schotterweg ins Tal runter. Immer wieder gucken Steingeissen vorbei und posieren gekonnt auf Felsvorsprüngen.
Steingeiss am posieren beim Abstieg zur Hütte 
Sicht zum Vanil de l'Ecri 

Der Weg ist rutschig aber sehr gut sichtbar. Wir sind nun seit 8.5 Stunden unterwegs und schon ziemlich müde. Immer wieder rutschen wir auf den kleinen Steinen aus, jeder Schritt muss überlegt sein. Nicht weil Absturzgefahr besteht, sondern weil wir lieber nicht auf unseren Füdlis landen wollen. Der Weisswein-Count wird zwar strapaziert aber bleibt weiterhin auf 0-0.
Wieder bei der SAC-Hütte angekommen machen wir kurz Rast und trinken ein Rivella. Der Hüttenwart gesellt sich zu uns und wir sprechen kurz über unsere Tour. Er freut sich, junge, wanderbegeisterte Leute zu sehen und staunt nicht schlecht als wir sagen, dass wir noch bis Grandvillard gehen müssen. Mit einem "bon courage" des älteren Herrn, machen wir uns nach 15 Minuten Verschnaufpause auf den Weg zum Bahnhof. Zum ersten Mal seit ich meine neuen Bergschuhe habe, machen sich Blasen bemerkbar. Zum Glück erreichen wir um 20.15 Uhr den Bahnhof, wo wir unsere restlichen Vorräte noch aufessen und auf den Zug warten. Immer wieder blicken wir zum Vanil Noir hoch und staunen, dass wir vor Kurzem noch dort oben standen. Erschöpft aber glücklich steigen wir um 20.52 Uhr in den Zug nach Freiburg ein.

Die Wanderung auf den Vanil Noir ist ungemein interessant und abwechslungsreich und obwohl ich manchmal ein bisschen Angst hatte, würde ich sie immer wieder machen. Als Ausgangspunkt würde ich aber jedem empfehlen den Parkplatz bei Les Baudes zu wählen und nicht in Grandvillard zu starten.

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