We simply walk into Mordor: Tongariro Alpine Crossing
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Mount Ngauruhoe oder Mount Doom |
Die wohl meistbegangene Wanderstrecke auf der Nordinsel von Neuseeland darf natürlich auch in unserem Programm nicht fehlen. Ich muss ja zugeben, dass meine Motivation für die Wanderung vor allem daher stammt, dass man sehr nahe an den Vulkan ran kommt, der in Der Herr der Ringe als Schicksalsberg (oder Mount Doom) verwendet wird. Dazu muss ich noch sagen, dass im Film natürlich sehr viel noch digital nachbearbeitet wurde und der Schicksalsberg dann noch ziemlich anders aussieht. Aber es macht trotzdem Spass zu wissen, dass an den Hängen des Mount Ngauruhoe gefilmt wurde und wir auch dort standen.
Das Department of Conservation gibt die Wanderung mit 19.4 Kilometer an und 1196 Höhenmetern. Wir hatten beide etwas andere Messungen auf unseren Uhren als wir die Wanderung beendet hatten aber diese Angaben stimmen so ungefähr. Die Höhenmeter sind ein bisschen zu hoch angegeben, es sind nicht ganz so viele. Es gibt auch unzählige Warnhinweise, die die Wanderer daran erinnern, dass es sich hierbei um eine Alpine Wanderung handelt, die man mit gebührenden Respekt angehen sollte. Da Domi und ich nicht mehr so fit sind wie auch schon (wir haben uns aber fest vorgenommen, dass wir nach den Ferien wieder mit dem joggen anfangen), haben wir beide ein bisschen Bammel vor den 20 Kilometern. Aber fangen wir doch von Vorne an.
Am Nachmittag vor der Wanderung, erreichten wir mit unserem „Kleinwagen“, den wir Goliath getauft hatten, den Ort National Park. National Park ist das höchstgelegene Dorf der beiden Inseln und liegt auf stolzen 825 Metern über Meer. Im Winter verwandelt sich der Ort hier in ein beliebtes Skigebiet, mit den längsten Pisten des Landes auf dem aktiven Vulkan „Ruapehu“.
Da es sich bei der Wanderung um eine A nach B Wanderung handelt, werden die meisten Wanderer mit verschiedenen Shuttels an den Start gefahren. Auch wir haben einen Shuttleservice bei unserem Hotel gebucht (wir waren im The Park Hotel, ein sehr schönes und gemütliches Hotel), welcher uns um 7 Uhr morgens an den Startpunkt der Wanderung bringen wird. Wir wären eigentlich gerne früher gestartet aber leider gab es keinen Platz mehr im früheren Shuttle. Nach 20 Minuten erreichen wir in einem vollen Bus den Startpunkt. Bereits auf dem kleinen Karrsträsschen dorthin, fällt uns auf, dass uns viele andere, leere Shuttles entgegen kommen. Wir wussten ja, dass es sich hierbei um die beliebteste Wanderung Neuseelands handelt aber dass es so viele Wanderer haben wird, haben wir nicht gedacht. Am Startpunkt wandern wir direkt los, mit der Hoffnung so einen Vorsprung vor den anderen Wandern zu haben. Das hat leider nicht geklappt, da es so unglaublich viele Leute hat, dass man es gar nicht schaffen kann, nicht in einer Menge zu wandern.
Wir laufen also los, die Schritte und Stimmen unserer Verfolger ständig in unseren Ohren.
Die Neuseeländer sind ein merkwürdiges Völkchen wenn es um die Wanderwege geht. Es ist streng verboten vom Wanderweg abzugehen und an vielen Orten, sind die Wanderwege stark befestigt. Zum Teil, wie im Foto unten sichtbar, werden sogar Stege gebaut, damit die fragile Umwelt so wenig Schaden wie möglich nimmt.
Wenn kein Steg vorhanden ist, dann ist der Wanderweg meistens mit einer Art Plastikmatte befestigt, welche im Boden vergraben ist und mit Metallstiften festgehalten wird.
Der erste Teil der Wanderung über die Mangatepopo Ebene ist sehr einfach und ziemlich flach. Hie und da wurden Holzstufen in den Boden eingefügt oder es wurden Treppen aus Steinen gemacht. Wir wandern immer tiefer in die Ebene, Mount Ngauruhoe als ständiger Begleiter neben uns. So schön die Umgebung auch ist, ich kann die Schritte und Stimmen unserer Mitwanderer nicht ausblenden und fühle mich gejagt. Meine Schritte werden immer schneller und plötzlich ertönt Domis Stimme hinter mir: „Können wir bitte ein bisschen langsamer laufen?“. Sie klingt aus der Puste und ich merke wie schnell wir tatsächlich unterwegs sind und willige ein, das Tempo ein bisschen zu drosseln. Wir werden den Menschenmengen nicht entkommen, egal ob wir schneller oder langsamer laufen. Von hier an nehme ich mir einfach vor, die Natur und diesen speziellen Ort zu geniessen und schliesse Frieden damit, dass wir nicht die einzigen Touristen sind, die diese Wanderung an diesem Tag machen.
Nach einer Stunde des einfachen Spazierens, wird das Terrain endlich ein bisschen interessanter und anspruchsvoller. Wir wandern nun über Lavagestein und gewinnen endlich ein paar Höhenmeter. Der Pfad wird steiler, die Treppenstufen werden höher, der Puls wird schneller. Endlich geht es richtig los! Ich hatte vergessen, wie sehr ich es geniesse einen Fuss vor den anderen zu setzen und die Gedanken schweifen zu lassen. Immer wieder wandern meine Blicke zum Schicksalsberg und ich merke, wie ich mit dem goldenen Ring an meinem Finger spiele. Ich habe natürlich mein Replika des „Einen Ringes“ mitgebracht, auch wenn ich nicht vor habe, diesen in die feurigen Tiefen des Schicksalsbergs zu werfen.
Wir überholen immer wieder andere Wanderer, werden aber auch regelmässig überholt. So ergibt sich ein hin und her und man sieht immer wieder ein bisschen die gleichen Leute. Wir erreichen das Plateau des Südkraters und Domi wird von einem Paar aus Salzburg gebeten, ein Foto zu machen und wir sprechen kurz über die fribourger Voralpen und wie schön es dort doch ist. Bis hierher war die Wanderung abwechslungsreich aber wenig anspruchsvoll. Es gab zwar bereits einen ersten Aufstieg aber diesen haben wir schnell und ohne grosse Mühe hinter uns gebracht. Am Ende des Plateaus sehen wir bereits den Weg, wie er sich den nächsten Krater hochschlängelt. Das muss die Stelle sein, von der die meisten Wanderer erzählen, wenn sie sagen, dass der Aufstieg zum Roten Krater anstrengend sei.
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Mount Doom ist unser ständiger Begleiter |
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Am Horizont ist bereits der Aufstieg sichtbar |
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Domi auf den letzten Metern zum Roten Krater |
Oben angekommen ist noch einmal Foto-time! Wir befinden uns nun auf dem höchsten Punkt der Wanderung auf 1886 Meter über Meer. Die Aussicht von hier oben ist supertoll und wir sehen sogar Mount Taranaki ganz klein in der Ferne. Dieser Berg ist berüchtigt dafür, immer von Wolken verdeckt zu sein, somit ist es ein riesiger Glücksfall, dass wir ihn sogar vom Red Crater aus sehen können. Wir haben generell ziemlich viel Glück mit dem Wetter auf dieser Wanderung: es ist zwar kalt und windet, aber der Himmel ist blau und es sind nur vereinzelte Wolken zu sehen.
Meine Herr der Ringe-Besessenheit übermannt mich und ich ziehe das Replika meines Ringes von Finger und versuche ein paar gute Aufnahmen mit dem Mount Doom im Hintergrund zu schiessen. Leider nur mit mässigem Erfolg. Aber seht selber:
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Der Eine Ring mit Mount Doom im Hintergrund |
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Domi und ich auf dem „Red Crater“, Mount Ngauruhoe im Hintergrund |
Lasst euch von diesen Fotos nicht täuschen, es hatte unglaublich viele Leute auf dem Krater. Nach ein paar Schnappschüssen haben wir uns dann auch entschieden weiter zu gehen, da es noch ein weiter Weg ist bis zum Ende der Wanderung und weil die Aussicht auf das, was noch kommt einfach wunderbar war. Auf der einen Seite sieht man Mount Ngauruhoe, ein aktiver Vulkan der das letzte mal erst im Jahr 1977 ausgebrochen war, auf der anderen Seite hat man eine wunderbare Aussicht auf die Emerald Lakes oder Nga Rotoponamu, wie die Maori sagen. Das Wasser der Seen ist so grün, dass man fast nicht glaubt, dass diese Farbe natürlich entsteht. Inmitten der kargen Vulkanlandschaft hat die Natur drei Farbklekse platziert und die Umgebung mit einer leichten Decke Schnee bepudert. Ein weiteres mal ist die Aussicht perfekt und erneut wünschte ich mir ein paar ruhige Augenblicke, um diese Aussicht geniessen zu können, ohne von anderen Wanderern umhergeschubst zu werden. Das ist aber leider auf diesem Trail definitiv nicht möglich.
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Die Emerald Lakes |
Unten angekommen bestaunen wir noch einmal das Wasser, welches Glasklar ist. Die Farbe der Seen wird von den vulkanischen Mineralien und dem Sonnenlicht erzeugt. Die Seen sind bei verschiedenen Ausbrüchen vor über 275000 Jahren entstanden. So verlockend die Farbe auch aussieht, da diese Seen ziemlich ätzend sind, würde man nicht unbedingt ein Bad darin nehmen wollen.
Weiter gehts über den Central Crater zum blauen See. Auf der Kraterebene kann man ein altes Lavabett vom Roten Krater sehen. Die Landschaft fühlt sich wieder total surreal an, als würden wir über den Mond wandern. Da die meisten Wanderer länger bei den Emerald Lakes geblieben sind als wir, geniessen wir hier das erste mal ein bisschen Ruhe auf der Wanderung.
Einen kurzen Aufstieg müssen wir noch meistern, dann finden wir uns auch bereits beim Blue Lake oder Te Wai-whaakata-o-te-Rangihiroa (Spiegel von Rangihiroa). Dieser See ist heilig für die Maori und darf nicht angefasst werden. Aus Respekt sollte man hier auch nicht essen oder trinken. Auch hier legen wir eine kurze Pause ein um ein paar Fotos zu schiessen, die Natur zu bestaunen und ein paar Vergleiche zu der Schweiz zu ziehen.
Der noch liegende Schnee umrahmt den See schön und auch wenn das Badeverbot nicht bestünde, wären die Temperaturen nicht einladend für ein Bad. Der Wind wird stärker und wir machen uns auf den Abstieg zum Parkplatz.
Der spektakuläre Teil der Wanderung ist somit vorbei. Die Landschaft ist zwar immer noch sehr schön, aber halt eben nicht mehr so komplett anders als bei uns. Wir haben nun ungefähr die Hälfte der Kilometer gemacht und es wartet ein langer Abstieg auf uns. Nach der kargen Vulkanlandschaft kommen wir nun sehr schnell wieder in die begrünte Umgebung und der Weg ist auch wieder, in neuseeländischer Manier, mit diesen komischen Plastikmatten markiert. Ein Abkommen ist hier nicht möglich. Einerseits weil wir wieder in Reih und Glied wandern müssen, andererseits weil der Weg so klar markiert und präpariert ist, dass man gar nicht davon abkommen kann. Plötzlich höre ich eine Stimme die sagt „Dänksch nach dene chöi mirs wage?“, und sehe zwei Schweizer, die mit ihren Mountain Bikes darauf warten, in die entgegengesetzte Richtung am Wandererstrom vorbei zu kommen. Ich wünsche ihnen lachend viel Glück bei ihrem Vorhaben und denke mir, dass ich absolut keine Lust hätte hier mein Bike hochzuschleppen. Es hat enorm viele Treppen und eben, der Strom der Wanderer ist so stark, dass ein flüssiges Fahren nicht möglich ist. Einmal abgesehen davon, dass das Mountain Bike fahren auf diesen Strecke verboten ist. Ich hoffe für die beiden Mountain Biker, dass es sich gelohnt hat und dass sie doch noch ein wenig Spass bei der Abfahrt hatten.
Noch ein Blick zurück um die Aussicht noch einmal zu bestaunen, ein letztes Innehalten bevor wir diese einmalige Umgebung verlassen.
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Der Blick zurück zum Red Crater und Mount Doom |
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Wandern in Reih und Glied |
Ich fühle mich ein bisschen in unsere Wanderferien im Südtirol zurückversetzt, als wir anstehen mussten um zu den Drei Zinnen zu gelangen. Die nächsten zwei Stunden laufen wir so weiter, bis wir wieder in den Wald kommen und dann plötzlich auch schon auf dem Parkplatz stehen, wo unser Shuttle uns abholen wird. Der Abstieg ist unspektakulär, es gibt weder spannende Passagen noch irgendwelche heiklen Stellen an denen Trittsicherheit vorausgesetzt werden. Die Neuseeländer haben den Pfad so extrem präpariert, dass jegliche Gefahr beseitigt wurde.
Nach 5:54 Stunden, 1088 Höhenmetern und 20,61 Kilometern setzen wir uns in unser Shuttle und werden von Peter zurück in das Park Hotel gefahren.
Auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es ein paar weniger Leute auf der Wanderung gehabt hätte, kann ich diese jedem empfehlen, der die Nordinsel Neuseelands besucht. Die Landschaft ist so komplett anders als bei uns, dass man aus dem Staunen fast nicht mehr rauskommt. Sowas habe ich bisher nur in Island gesehen und auch dort ist die Natur wieder anders als im Tongariro National Park. Natürlich muss man sich mit der neuseeländischen Art der Wanderwegen anfreunden: man läuft hier sehr oft auf Holzstegen oder eben auf diesen präparierten Wegen, damit die fragile Natur nicht zu sehr gestört wird. Es ist halt alles ein bisschen anders als bei uns in der Schweiz, aber deswegen zieht es uns ja auch in die Ferne, damit wir Neues kennenlernen.
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