Great Barrier Island: Wanderung zur Mount Heale Hut
Die Great Barrier Island ist eine kleine Insel im Hauraki Gulf nordöstlich von Auckland. In der Sprache der Maori heisst die Insel Aotea, die weisse Wolke. Bei unseren Reisevorbereitungen wurde uns empfohlen, wenigstens eine der Inseln des Hauraki Gulfs zu besuchen. Oft wurde uns die Waiheke Island als Ziel vorgeschlagen, wir aber entschieden uns für die Great Barrier Island. Ein grosser Faktor für diese Entscheidung war, dass die Insel ein "Dark Sky Sanctuary" ist, es gibt dort in der Nacht also keine künstliche Strassenbeleuchtung. Da ich es liebe die Sterne zu beobachten und mich auch immer wieder an der Astrofotografie versuche (mit mässigem Erfolg), war klar, dass wir einen Abstecher auf diese Insel machen mussten.
Am 15. November 2023 machten wir uns also auf den Weg zu der Insel. Die Fähre verliess um 7 Uhr Morgens den Hafen von Auckland und sollte uns in vier Stunden zum Port Fitzroy, an der nord-westlichen Küste der Insel bringen. Wir hatten mit unserem Hostel vereinbart, dass wir unsere grossen Rucksäcke für drei Tage dort lassen konnten und so mussten wir nur unsere kleinen Tagesrucksäcke mitnehmen. Das Packen war dennoch eine Herausforderung, musste ich doch den dicken Daunenschlafsack und das ganze Fotoequipment in den kleinen 24 Liter Rucksack packen. Irgendwie habe ich es dann doch geschafft und wir erreichten den Hafen pünktlich.
Da wir auf unserem Besuch in Taupo bereits eine stürmische Schifffahrt hinter und gebracht hatten, machte ich am Abend vorher eine kurze Google-Suche zu dem Gefährt, welches uns aufs offene Meer raus befördern sollte. Laut Beschreibung auf der Webseite, hätte es sich um eine grössere, stabile Fähre handeln sollen und in mir wurden Erinnerungen an unsere Schottlandreise geweckt, als wir von Uig nach Tarbert auf der Isle of Harris geschifft waren. Auf der Webseite war die Rede von einer Cafeteria, einem Aufenthaltsraum und sogar von einem Kino. Diese Versprechen wurden allerdings nicht gehalten und wir fanden uns auf einer kleinen Fähre die ein paar Autos transportieren konnte und die Cafeteria war eher ein Tresen mit einer Kaffeemaschine als etwas anderes.
Wir fanden das weiter nicht schlimm, wir hatten ja genug zu tun auf der vierstündigen Fahrt. Domi wollte an ihrem Blog weiterschreiben und ich hatte mein Buch dabei. Bald merkten wir aber, dass aus diesen Plänen nichts werden würde. Wir verbrachten die meiste Zeit der Überfahrt mit geschlossenen Augen in unseren Sitzen und bemühten uns, uns nicht zu viel zu bewegen. Die drei anderen Passagiere, von denen eine auf der Insel wohnte und zwei Verwandte besuchen wollten, liessen sich vom dem Gewackle der Fähre nicht beeindrucken. Ein Maori, der seinem Schwiegervater beim Bau eines Hauses helfen ging, telefonierte frischfröhlich und kommentierte die Überfahrt mit "Ach nein, das Meer ist bisher sehr ruhig, die Überfahrt ist total sanft.". Ich musste in mich reinschmunzeln, da ich die Überfahrt nicht ruhig fand und froh war, dass wir das Frühstück ausgelassen hatten. Als wir wieder festen Boden unter den Füssen hatten, lachten wir genüsslich darüber, dass wir beiden sicher keine Boots-Leute waren und eher auf einen Berg gehörten als auf die offene See.
Die Übelkeit war weg, sobald wir am Port Fitzroy angekommen waren und wieder festen Boden unter den Füssen hatten. Da wir am Abend vorher sehr spät aus Wellington angereist waren, hatten wir keine Zeit uns Proviant für die bevorstehende Wanderung zu kaufen, was wir in dem kleinen Laden am Hafen nachholten. Sie haben dort das Nötigste, aber bei Weitem nicht alles was man für eine Wanderung braucht. Wir waren daher schlecht vorbereitet und mussten mit dem vorliebnehmen, was wir bekamen. Die Packung Traubenzucker die ich zu Hause hastig noch in den Rucksack geworfen hatte, würde sich als sehr wertvoll erweisen.
Das Ziel unserer Wanderung war die Mount Heale Hut. Leider wurde der Wanderweg dorthin vom Zyklon "Gabrielle", der im Februar viele Teile der Nordinsel verwüstet hatte, beschädigt, sodass wir eine alternative Route wählen mussten. Die neue Route war zwar ein bisschen weiter aber wir hatten ja schliesslich genug Zeit. Anstelle des "Coopers Castle Track" und "Kaiaarara Track", nahmen wir nun den South Fork Track, welcher auch zu der Mount Heale Hut führte.
Der Anfang des Tracks mussten wir auf der Strasse laufen um an den eigentlichen Start der Wanderung zu gelangen. Wir waren keine halbe Stunde gewandert als ein Wagen neben uns anhielt und der nette Fahrer anbot, uns zum Start zu fahren. Wir nahmen das Angebot dankend an, setzten uns auf die heruntergeklappte Ladefläche des Pickups und schon ging es los! Wir hatten einen riesigen Spass daran, auf der Ladeklappe zu sitzen und unsere Beine baumeln zu lassen, während unser grosszügiger Chauffeur über die mit Schlaglöchern gespickte Strasse tuckerte.
Am Start der Wanderung angekommen, bedankten wir uns herzlich bei dem netten Inselbewohner und standen schon bald vor dem nächsten Novum: Der Start der Wanderung war mit einem grossen Tor versperrt. Das ist ja noch keine grosse Sache, schliesslich leben Tiere hier, die nicht entwischen sollten. Das Neue war die Installation, durch die man gehen musste um auf den Wanderweg zu kommen. Es erinnerte mich an die Käfige die die Tierärzte benutzen, um die Hufe von Kühen zu schneiden. Dieser Metallkäfig hatte aber einen ganz anderen Zweck: Jeder Wanderer der hier durchkommt wird angehalten um die Schuhe zu desinfizieren. Ja, ihr lest richtig: Die Schuhe werden in Neuseeland VOR der Wanderung desinfiziert.
Was ziemlich absurd und lustig klingt hat einen einleuchtenden Grund; in manchen Teilen der Nordinsel gibt es noch Kauri-Bäume. Diese Bäume sind sehr selten und vom aussterben bedroht, da ein Pilz eingeschleppt wurde, der Wurzelfäule verursacht. Es handelt sich hierbei nicht einfach nur um eine grosse, alte Baumart, sie sind auch sehr wichtig in der Mythologie der Maori. Heute ist es nur den Maori gestattet die Bäume zu fällen und zu verarbeiten. Ausserdem sollte man, falls man so einen Baum sieht, diesen nicht berühren, da sie sonst entweiht werden.
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Schuhdesinfektionsstelle |
Die Schuhe werden also brav desinfiziert und nun geht es endlich los auf die langersehnte Wanderung. Wir spüren die Strapazen der vorherigen Tage noch deutlich und haben Mühe, in einen guten Rhythmus zu kommen. Der Himmel über uns wird immer dunkler und unfreundlicher. Es dauert auch nicht lange, bis wir die ersten Regentropfen abbekommen. Der Wetterradar hat aber nur kurzzeitige Schauer gemeldet und so wandern wir weiter.
Auch hier ist der Wanderweg sehr liebevoll gemacht und deutlich erkennbar. Zur Hilfe gibt es immer wieder pinke Pfeile, die an Bäume genagelt wurden um den Weg zu markieren. Diese erweisen sich als sehr hilfreich, als wir an einen Fluss kommen, den es zu überqueren gilt. Nach ein paar Minuten des Suchens einer seichten Stelle, finden wir diese und springen von Stein zu Stein. Ich würde hier gerne erzählen, dass wir elegant wie junge Gazellen über den Fluss gehüpft sind. Die Wahrheit ist aber, dass es eher eine unbeholfene Sache war und wir uns gegenseitig stützen mussten um nicht umzufallen.
Blick zurück |
Die Little Barrier Island im Hintergrund |
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Wackelige Angelegenheit |
Die nächste Abzweigung sollte uns zu der Hütte bringen. Diese verbirgt sich aber bis zum Schluss im dichten Wald und zeigt sich erst, als wir wenige Meter vor ihr stehen. Schliesslich haben wir es aber endlich geschafft. Die 599 Höhenmeter und 11 Kilometer haben sich angefühlt wie doppelt so viel und wieder einmal schwören wir uns, dass wir uns auf die nächste Wanderung besser vorbereiten werden.
Das Wetter hat sich noch nicht verbessert, es windet stark und der Himmel ist grau. Wir schauen uns kurz um und verziehen uns dann aber schleunigst in die kleine Hütte. Diese besteht aus zwei Schlafräumen und einem Gemeinschaftsraum. Sie ist nicht so gut ausgebaut wie unsere SAC-Hütten und hat kein Trinkwasser. Es hat aber Kochutensilien und kleine Gaskocher. Wenn man richtig vorbereitet gewesen wäre, hätte man sich hier ein gutes Abendessen zubereiten können. Wir nehmen zwei Matratzen in Beschlag und ziehen uns erst einmal um. Die flauschigen Wollsocken von Mama werden angezogen, der dicke Pulli montiert und dann lümmeln wir uns auf die Eckbank im Gemeinschaftsraum und verdrücken ein paar Zwieback mit Nutella.
Wir sind nicht die Einzigen in der Hütte. Es sind noch fünf Freundinnen oben, die aus Auckland angereist sind und den Geburtstag von Einer auf der Insel feiern. Ausserdem ist auch noch eine dreiköpfige Familie oben, mit denen wir schnell ins Gespräch kommen. Der Vater ist ein pensionierter Journalist, der einige Zeit in Europa gelebt hat und so tauschen wir Eindrücke aus, sprechen über die Schönheiten der Schweiz und Neuseeland und verbringen so die Zeit. Ich habe ausserdem mein Buch dabei (ja, ich habe ein Buch auf einen Berg geschleppt) und verbringe so die Zeit.
Vertieft in mein Buch, spüre ich plötzlich wie Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht tanzen und mich schelmisch blenden. Ich kann meinen Augen kaum trauen, als ich einen Blick nach draussen werfe: die zuvor dichte Wolkendecke ist aufgerissen und mir bietet sich ein Anblick, den ich mein Leben lang nicht mehr vergessen werde. Die Sonne versinkt hinter der Little Barrier Island im Meer und bietet uns einen Sonnenuntergang, der nur schwer zu übertreffen sein wird.
Sonnenuntergang auf der Mount Heale Hütte |
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Milchstrasse waagrecht über dem Meer |
Vor lauter Aufregung über das atemberaubende Schauspiel der Sterne, vergesse ich nach dem Wechsel des Objektivs dieses wieder scharf zu stellen. Anfängerfehler! Zum Glück vergesse ich diesen Schritt nur einmal, sodass nur ein paar wenige meiner Fotos unscharf werden.
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Stägeli uf, Stägeli ab |
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Das Pa Beach Cafe |
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